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KRITISCHES KOCHEN UND FREUDIGES SCHLEMMEN

20.09.18
Home, sweet home (USA) – Casa (Italien) – σπίτι = spíti (Griechenland) – الوطن = watan (Syrien) – дома = doma (Russland) – מולדת = moledet (Israel) – yurt (Türkei) – 고향 = gohyang (Südkorea)

Heimat? ein inflationär gebrauchter Begriff im politischen und öffentlichen Diskurs. Und doch lohnt es sich diesen Begriff neu zu thematisieren und in einen alternativen Kontext zu bringen. Denn er zeigt uns Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten auf und kann als Ausgangspunkt für eine Diskussion auf Augenhöhe dienen.

Dass dieser Begriff hierbei auch oftmals zur Abgrenzung gegenüber dem Fremden und zur Stärkung nationalistischer Einstellungen missbraucht wird, zeigt umso mehr, dass er neu behandelt werden muss. Heimat als ein Konzept, dessen Definition je nach Individuum variiert, sollte im Kontext interkultureller Verständigung eine neue vermittelnde Bedeutung bekommen.
In unserer Workshopreihe Meine- Deine- Unsere Heimat nehmen wir uns gemeinsam mit Neu-BürgerInnen und Alteingesessenen Oberhausens dieser Aufgabe an und entwickeln ein interkulturelles, gemeinsames Heimatkonzept.
Den Anfang machte letzte Woche der Workshop „Kritisches Kochen“. In Kooperation mit der Multi, konnten wir gemeinsam mit Jugendlichen aus aller Welt über diese Thematik diskutieren und eines der wichtigsten Heimatcharakteristika sogar zubereiten: gutes Essen!

Denn Heimat beschreibt so viel mehr als einem bestimmten (Herkunfts-)Ort: Wir verbinden emotionale Bindungen, Geräusche, Gerüche, visuelle Merkmale wie Farben, Gebäude, Kleidung oder Kunst und eben Geschmäcker mit diesem Begriff und für jede und jeden von uns bildet dieses Konglomerat an Assoziationen ein ganz eigenes Konzept. Durch gemeinsames Kochen und Gespräche haben wir versucht diese individuellen Konzepte auszutauschen und Gemeinsamkeiten ausfindig zu machen.
Wir hätten nicht gedacht, dass wir dabei schon zu Beginn der Workshopreihe auf so viele unterschiedliche Kulturen treffen würden.
Das Multi-Projekt, ein multilaterales Jugendbegegnungs-Projekt mit TeilnehmerInnen aus aller Welt und seit 1992 ein fester Bestandteil der Sommerferienzeit in Oberhausen, war der perfekte Einstieg in diese Thematik. An 4 Tagen nahmen TeilnehmerInnen aus Italien, den USA, der Türkei, und Griechenland, zusammen mit Jugendlichen aus Oberhausen und der Region an unserem Workshop im Zuge der Multi-Projekttage teil. Einen Zugang zu der Thematik Heimat und dem interkulturellen Austausch durch gemeinsames Kochen und Essen gab es durch Husam mit der Refugees` Kitchen. Husam ist Teil des Refugees`Kitchen Team und hat auf vielen Events seine Heimat-Gerichte für neugierige Gäste gekocht. Gemeinsam mit seiner Frau Angie und den beiden Söhnen Rami und Karim haben sie den Multi-TeilnehmerInnen einen Einblick in ihre Heimat durch ein syrisches Menü gegeben.

Die Besonderheit dieses Mal: Die Jugendlichen bildeten das Kochteam! Husam und Angi gaben Hilfestellung und erklärten wie die Gerichte zubereitet werden und welche Zutaten entscheidend sind, geschnippelt wurde jedoch in der Gruppe. Hierbei kamen die Gespräche ganz automatisch auf Themen wie: Heimat-Ort und Wunschheimat, Erinnerungen an Heimat-Momente, Heimatgerichte und spezifische Zutaten. Aber auch Ernährung, kulturelle Essgewohnheiten und kulinarische Vorlieben waren Thema. In einer geleiteten Diskussionrunde haben wir uns auch kritischeren Themen gewidmet. Karim und Rami haben von ihrer Reise aus Syrien bis nach Deutschland erzählt. Ryan, dessen Eltern aus Jordanien in die USA immigrierten, erzählte uns von den abweisendem und teilweise sogar bedrohlichem Verhalten seiner Mitmenschen ihm gegenüber nach den Anschlägen des 11. Septembers. Yaren berichtete von der Problematik des Zusammenlebens an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien und ihrer Besorgnis über die aktuelle politische Lage in der Türkei. Ein Teil der Gespräche wird bald online als Videos zu sehen sein.

Nach diesen oftmals auch bedrückenden Themen und der fleißigen Hilfe der Jugendlichen, konnte pünktlich um 12 aufgetischt werden und die Stimmung wurde wieder lockerer. Für viele der TeilnehmerInnen war es dies das erste Mal, dass sie arabisches Essen probierten. Der Aha-Effekt war groß: Neben klassischem Tabouleh-Salat gab es die beliebte Vorspeise Fateh (Bohnen-Salat in warmer Butter) und eine würzige Gemüse-Suppe. Es wurde geschlemmt und verglichen, welche Gewürze auch in anderen Kochtraditionen be“heimatet“ sind und ziemlich schnell wurde klar: Die Jugendlichen wollen ebenfalls ihre Heimatgerichte vorstellen. Das Menü für die kommenden Tage lautete daher wie folgt: Menü1 Shakshuka (Israel) mit Tzatziki (Griechenland), buntem Salat (Polen) und Tiramisu (Italien) zum Nachtisch. Menü2: ein Pasta-Battle zwischen Mac`n`Cheese (USA) und Spaghetti al pesto verde (Italien) und Omas Apfelkuchen (Deutschland).
Kein Wunder, dass das Unterhaus unter den Muli-MitarbeiterInnen zum Geheimtipp für die Mittagspause wurde :)

Wir bedanken uns bei allen TeilnehmerInnen für die rege Mitarbeit und bei der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren LAG NW für die Förderung des Projekts!